BGH-Urteil zum Musterwiderrufsformular vom 20. Februar 2025

Die Relevanz des Muster-Widerrufsformulars wird in der Praxis häufig unterschätzt – mit weitreichenden Folgen. Wird dieses Formular dem Verbraucher beim Abschluss eines Dienstleistungsvertrags außerhalb von Geschäftsräumen nicht ordnungsgemäß übergeben, bleibt das Widerrufsrecht selbst dann bestehen, wenn die Dienstleistung bereits vollständig erbracht wurde. 

Der Verbraucher kann in einem solchen Fall noch bis zu 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss widerrufen. Der Bundesgerichtshof zeigt sich dabei konsequent – den Einwand eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens lässt er nicht gelten.

Der BGH hat sich in einem (branchenfremden) Urteil vom 20.02.2025 (Az. VII ZR 133/24) intensiv mit der Bedeutung des Muster-Widerrufsformulars und der Frage einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Verbraucherwiderrufsrechts nach vollständiger Erbringung einer außerhalb von Geschäftsräumen beauftragten Dienstleistung auseinandergesetzt.

Im vorliegenden Fall hatte das Fahrzeug eines Verbrauchers auf der Autobahn im Bereich der Ausfahrt Öl verloren. Der Verbraucher beauftrage einen von ihm herbeigerufenen Unternehmer vor Ort mit der Beseitigung der Ölspur. Neben der Auftragserteilung unterzeichnete der Verbraucher die ihm anschließend ausgehändigte Widerrufsbelehrung des Unternehmers. Darin erklärte er – nach der entsprechenden Belehrung – sein Einverständnis mit der sofortigen Ausführung der beauftragten Dienstleistung – sprich vor Ablauf der Widerrufsfrist – und dass ihm bekannt ist, dass er sein Widerrufsrecht nach vollständiger Vertragserfüllung verliert. Er erhilt im Rahmen der Widerrufsbelehrung allerdings weder einen Hinweis auf das Muster-Widerrufsformular noch wurde ihm ein solches ausgehändigt. Ein halbes Jahr später widerrief er auf Anraten seines Haftpflichtversicherers den bereits am Tage der Auftragserteilung vollständig erfüllten Dienstleistungsvertrag. Seither stritten die Parteien um die Zahlung des Werklohns.

Der BGH hat dazu entschieden, dass dem Unternehmer kein Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Werklohns zustand, weil der Verbraucher zum Widerruf berechtigt war. Das Widerrufsrecht war weder erloschen noch war die Ausübung des Widerrufsrechts rechtsmissbräuchlich.

Begründung:

Der Verbraucher kann in einem solchen Fall noch bis zu 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss widerrufen. Der Bundesgerichtshof zeigt sich dabei konsequent – den Einwand eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens lässt er nicht gelten.

Kein Erlöschen des Widerrufsrechts trotz vollständiger Vertragserfüllung § 356 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BGB regelt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit das Widerrufsrecht des Verbrauchers im Falle vollständiger  Vertragserfüllung erlischt. 
Selbst wenn diese Voraussetzungen vorliegen, der Unternehmer also mit der Ausführung der vollständig erbrachten Arbeiten erst nach ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers begonnen und der Verbraucher seine Kenntnis vom Erlöschen des Widerrufsrechts nach vollständiger Vertragserfüllung bestätigt hatte, erlischt das Widerrufsrecht nicht, wenn der Verbraucher nicht auf das Muster-Widerrufsformular hingewiesen wurde und der Unternehmer ihm dieses nicht ausgehändigt hat und dem Verbraucher alternativ auch keine andere, diesen inhaltlichen Anforderungen entsprechende Belehrung erteilt hat.

Keine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Verbraucherwiderrufsrechts

Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben setzt der Ausübung von Rechten dort Schranken, wo sie zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit offensichtlich unvereinbaren Ergebnissen führt. 
Das gesetzliche Regelungsgefüge zum Verbraucherwiderrufsrecht berücksichtigt bereits die schutzwürdigen Interessen sowohl des Verbrauchers als auch des Unternehmers. Die darin liegenden gesetzlichen Wertungen dürfen durch die Anwendung von § 242 BGB nicht umgangen werden. Ein Ausschluss des Verbraucherwiderrufsrechts wegen Rechtsmissbrauchs kommt daher nur ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers in Betracht, wie etwa bei arglistigem Verhalten des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer. 
Da das Gesetz ein Widerrufsrecht des Verbrauchers – unter den in den einschlägigen Normen geregelten Voraussetzungen – sowohl für den Fall ausschließt, dass der Verbraucher den Unternehmer mit „dringenden Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten“ beauftragt hat (§ 312g Abs. 2 Nr. 11 BGB) als auch für den Fall vollständiger Leistungserbringung (§ 356 Abs. 4 BGB), sind sowohl die „Dringlichkeit der Arbeiten“ als auch deren „vollständige Erledigung“ keine Umstände, die den Einwand einer  rechtsmissbräuchlichen Ausübung des  Verbraucherwiderrufsrechts rechtfertigen können. Die diesbezüglichen Interessen des Unternehmers wurden vom Gesetzgeber schließlich bereits in den genannten gesetzlichen Regelungen berücksichtigt. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss des Widerrufsrechts des Verbrauchers in diesen Fällen nicht vor, kann  die darin liegende gesetzliche Wertung nicht durch einen Rückgriff auf § 242 BGB umgangen werden.

Die unterlassene Aushändigung des Muster-Widerrufsformulars stellt nicht bloß einen „kleinen“ oder „geringfügigen“ Belehrungsfehler dar. Dies deshalb, weil der Unternehmer die gesetzlichen Mindestvorgaben nicht einhält. Das Gesetz verpflichtet ihn hierzu, damit der Verbraucher in die Lage versetzt wird, sein Widerrufsrecht ohne Schwierigkeiten wirksam auszuüben. 

Fazit
Die BGH-Rechtsprechung lässt sich eins zu eins auf den Widerruf von Dienstleistungsverträgen im
Pannendienst oder Hol- und Bringservice übertragen. Es genügt nicht, den Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht zu informieren. Der Unternehmer muss dem Verbraucher zusätzlich das Muster-Widerrufsformular aushändigen! Ansonsten beginnt die 14-tägige Widerrufsfrist nicht zu laufen und verlängert sich auf 12 Monate und 14 Tage.

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